ENCANTARIA (2014-2019), führt uns in den imaginären Raum zwischen Mythos und Geschichte, in welchem brasilianische mündliche Tradition und europäische Musik des Mittelalters und der Renaissance aufeinandertreffen. Durch einen musikalischen Dialog zwischen Kulturen, welche in Zeit und Raum weit entfernt sind, benutzt dieses dramatische musikalische Manuskript musikalische Hinweise sowie graphische und literarische Anspielungen, um die Geschichte des portugiesischen Königs Don Sebastian zu erzählen, welcher in der Schlacht von Alcácer Quibir in Marokko im Jahre 1578 verschwand.

Die Erforschung des Repertoires brachte wichtige Schnittpunkte zwischen dem Mythos des Verzauberten Königs und anscheinend vergessener Kulturen und Epochen hervor. Auf diese Weise zeichnet ANIMA ein Profil der Musik des brasilianischen Imaginären, welche Ihre Wurzeln in indigenen, afrikanischen, islamischen und iberischen Traditionen hat.

ANIMA versuchte den historischen und kulturellen Kontext des Mythos um den „Sebastianismus“ nachzuvollziehen, basierend auf dem Verschwinden des Königs Sebastian in der Schlacht von Alcácer Quibir und der Möglichkeit seiner Wiederauferstehung auf der „Ilha Encoberta“ (Versteckten Insel) oder den „Ilhas Afortunadas“ (Gesegnete Inseln), der Aufhebung seiner Unsichtbarkeit und „Verzauberung“ bis zu seiner Transformation zum „Retter der Welt und Nation“.

Der Mythos des „Enchanted Kings“, einer der bedeutendsten Mythen der portugiesischen Nation, manifestiert sich noch heute in einigen Regionen Brasiliens, geprägt von musikalischer, mündlicher und poetischer Vorstellungskraft, im Laufe der Jahrhunderte verschmolzen mit messianischem Gedankengut.

Die Figur des Don Sebastian ist mit verschiedenen Archetypen der portugiesischen und brasilianischen Kultur verbunden, vor allem mit der Urform der Tausendjährigen Darstellung, dass die Erlösung für die Unterdrückten „kommt“, aber auch mit dem Archetyp des Geheimnisvollen und Entzückens.

Durch die Erforschung historischer Berichte über die Schlacht von Alcácer Quibir in Marokko und die anti-islamische Bewegung auf der Iberischen Halbinsel während der Renaissance, schafft ANIMA Berührungspunkte zwischen den Kämpfen von Christen und Mauren – noch heute gefunden in den „Embaixadas“ und „Cheganças“, den traditionellen, dramatischen Tänzen aus Brasilien – bis zum Canudos-Krieg, welcher Ende des 19. Jahrhunderts im wüstenähnlichen Sertão in der Region Bahia stattfand und dessen Tragödie zu Protesten im ganzen Land und somit wiederum zur Definition der brasilianischen Identität führte.

Insbesondere die Verse des „Boi do Maranhão“, eines dramatischen Tanzes aus Lençóis Insel vor der Küste von Nord-Brasilien, erforscht vom Musiker und Musikwissenschaftler Paulo Dias und der Musiwissenschaftlerin Mundicarmo Ferretti, welche von der Ver- und Entzauberung des Verborgenen Königs erzählen, lieferten ANIMA die zentralen Elemente für die Zusammenstellung des Repertoires und die Auswahl der Musik.

Durch die Vernetzung von Zeit, Raum, Mythos, Geschichte, Fantasie und Kulturen, etstand ein musikalisches Skript – von ANIMA in einzigarten Arrangements zusammengestellt.